So 24. Juli 2022 19:00 Uhr
Münster Erbdrostenhof
25 €, 20 € erm.

Ortega Quero, Lefevre, Koch, Degenkolbe, Haunhorst, Ha & Imani

Stefan Heucke: Holzbläsersonaten – Uraufführung

Mit führenden Interpret:innen ihrer Generation hat Stefan Heuckes vierteiliger Sonatenzyklus für Holzbläser Weltpremiere. Das Konzert wird von dem Komponisten moderiert.

Da Annika Treutler krankheitsbedingt kurzfristig absagen musste, übernehmen die vielfach ausgezeichneten Pianisten Tobias Haunhorst und Gyu-tae Ha sowie die Hochschuldozentin und international als Kammermusikpartnerin gefragte Kimiko Imani den Klavierpart.

Schon früh hatten sie sich über Wettbewerbserfolge und Auszeichnungen einen Namen gemacht: die österreichische Flötistin Daniela Koch, der spanische Oboist Ramón Ortega Quero und der französische Fagottist Marceau Lefèvre. Der deutsche Klarinettist Simon Degenkolbe, der kurzfristig für Pablo Barragán einspringt, und die Pianistin Kimiko Imani gewannen in jungen Jahren den GWK-Förderpreis und wurden auch anderweitig mehrfach ausgezeichnet. Als Solist:in gibt jede:r der vier Holzbläser Konzerte mit namhaften Orchestern, spielt international Rezitals und Kammermusikabende, hat eine Solostelle in einem renommierten Orchester oder unterrichtet an einer Hochschule.

Durch ein Corona-Stipendium des Landes NRW konnte Stefan Heucke im Herbst 2020 den langgehegten Plan eines Zyklus von vier Sonaten für Holzbläser realisieren. Jede Sonate stellt das Charakteristische des jeweiligen Instrumentes heraus: Die Flöte ist beweglich, hell und brillant, die Oboe melancholisch, sie kann aber auch energisch und durchdringend sein. Die Klarinettensonate fällt aus dem Gesamt heraus, insofern sie aktuelle biografische Umstände bestimmen, die Tatsache, dass im pandemischen Lockdown viele Künstler:innen von Verzweiflung ergriffen wurden. Ihr liegt Cesar Bresgens (1913–1988) Lied „O du stille Zeit“ zugrunde, das dramatisch bis ins Dämonische variiert wird. Die Fagott-Sonate spielt die Gegensätze, die das Fagott so reizvoll charakterisieren, aus: elegisch, majestätisch oder bizarr.

Der Komponist Stefan Heucke

Stefan Heucke hat in bisher mehr als 120 Kompositionen eine unverwechselbare und zugängliche Musik-Sprache auf der Höhe unserer Zeit entwickelt. Er charakterisiert sie als „integrativ tonal“. Denn er bricht nicht mit der europäischen Überlieferung, sondern schreibt sie kritisch fort, indem er in seinem Werk die Grenzen zwischen traditionell tonal gebundener und Neuer Musik auflöst. Heucke komponiert subjektiv-emotional und zugleich intellektuell-konstruktiv. Ohne simple Verstehensangebote zu machen, ist er auf Kommunikation mit den Hörenden aus.

Heuckes Werke werden seit 1996 bei Schott Music International verlegt und von renommierten Orchestern und Solist:innen im In- und Ausland aufgeführt. Mehrfach wurde der freie Komponist ausgezeichnet, zuletzt mit dem Hans Werner Henze-Preis des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe.

In seinem integrativen Stil kombiniert Heucke die Zwölfton-Kompositionstechniken der Moderne mit der tonalen Harmonik, dem klassisch-europäischen Tonsystem. Er steht in der Tradition der motivischen Arbeit von Bach, Beethoven und Brahms und schreibt in den überkommenen Gattungen. Dabei entwickelt er die alten Formen weiter, indem er sie ausdehnt und überschreitet. Auch aus ausgewählten Werken der Musikgeschichte gewinnt er motivisch-thematisches Material, das er in seiner Weise zitiert und transformiert. So sind seine Werke immer auch Musik aus und über Musik. Konkrete Inhalte kommen in sie hinein über Libretti, die für ihn verfasst werden, über Anklänge an bekannte Choralverse oder Lieder und über literarische Texte, die er aufnimmt.

Immer wieder thematisiert der „Nachgeborene“ das größte Menschheitsverbrechen, das bekanntlich von Deutschland ausging, in seinem Werk, sowohl textlich wie in der musikalischen Struktur. Ebenso behandelt er die großen existenziellen Fragen. Dabei bleibt er jedoch nicht in Negativität stecken, in den Dunkelheiten des Ich, des Menschen, des So-ist-es-und-so-wird-es-immer-Sein oder eines Es-ist-alles-Umsonst.

Den Destruktionen und Dekonstruktionen, den Gebrochenheiten, Enttäuschung und Depression, der metaphysischen Obdachlosigkeit sowie den Zweifeln am Menschen überhaupt, der Verzweiflung, die eine:n im Blick auf die Menschheitsgeschichte und die Gegenwart überkommen und lähmen könnte, stellt der Komponist sein offenes Trotzdem entgegen:

Symbolisch und hochkomplex stiftet Stefan Heucke in seinen Werken Zusammenhang und Sinn, ohne sich in metaphysischen Trost hinein- oder in die Vergangenheit zurückzuschreiben, in die heile Welt tonaler Harmonie, Eingängigkeit und unproblematischer Verständlichkeit. Stattdessen lässt er die Gegensätze miteinander kommunizieren, ohne ihre Widersprüchlichkeit in der Integration zu schleifen. Immer hält er Spannung und Bruch aufrecht und in den Hörenden das Bewusstsein, dass der Sinn, den sie in seiner Musik mitfühlend und aktiv mitdenkend erfahren, immer von ihm und ihnen gemeinsam gemacht wird. So wie der Frieden.

Besetzung

Ramon Ortega Quero Oboe Marceau Lefevre Fagott Simon Degenkolbe Klarinette Daniela Koch Flöte Kimiko Imani, Tobias Haunhorst, Guy-tae Ha Klavier Stefan Heucke Moderation

https://ramonortegaquero.com | http://www.danielakoch.com | https://stefanheucke.de

Pablo Barragán hat die Uraufführung der Klarinettensonate von Stefan Heucke absagen müssen. Kurzfristig springt für ihn Simon Degenkolbe, Stipendiat der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker und seit Kurzem Soloklarinettist des Sinfonieorchesters Münster, ein.

Da Annika Treutler krankheitsbedingt kurzfristig absagen musste, übernehmen die vielfach ausgezeichneten Pianisten Tobias Haunhorst und Guy-tae Ha sowie die Hochschuldozentin und international als Kammermusikpartnerin gefragte Kimiko Imani den Klavierpart.

Programm

Stefan Heucke (*1959)
Vier Sonaten für Holzbläser und Klavier op. 114

Erbdrostenhof

48143 Münster
Salzstraße 38

Der Erbdrostenhof, 1753-1757 nach Plänen Johann Conrad Schlauns erbaut, ist eines der prächtigsten Adelspalais des deutschen Spätbarock. Bauherr war der Erbdroste Adolf Heidenreich Freiherr von Droste zu Vischering, einer der ranghöchsten Würdenträger des Bistums Münster. Schlaun hat den dreiflügeligen Bau in die Diagonale gedreht, wodurch er auf einem relativ kleinen, rechteckigen Grundstück Platz für den Ehrenhof vor dem Haupteingang gewann. Typisch westfälisch ist die mit roten Backsteinflächen und Baumberger Sandstein gestaltete Fassade.

Über dem Vestibül des Erbdrostenhofs liegt die zweigeschossige „salle à l’italienne“ mit illusionistischer Wand- und Deckenmalerei. Abgebildet sind u.a. Statuen, die Allegorien der Tugenden des guten Fürsten darstellen: Eintracht, Liebe, Hoffnung, Tapferkeit, Freigebigkeit, Milde, Friedfertigkeit. Doch gezeigt wird auch deren Gegenteil, etwa der Zorn mit einer mächtigen Schlange. Die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Fresken von Nikolas Loder wurden von 1965 bis 1967 von Paul Reckendorfer rekonstruiert.

In Kooperation mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe | www.lwl.org