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Das Festival

Liebe Musikfreunde und -freundinnen,

zum sechsten Mal darf ich Sie, auch im Namen unserer mehr als 50 Partner vor Ort, zu einem internationalen Musikfest einladen, das in Europa einzigartig ist. Wie nirgends sonst stehen bei Summerwinds wieder die Holzbläser:innen im Fokus, in 50 hochkarätigen Konzerten an 43 attraktiven Spielorten im MünsterLand, zehn Sommerwochen lang.

Internationale Interpret:innen

International gastierende Solist:innen und Ensembles, Große Namen wie auch Rising Stars und solche, die noch ein Geheimtipp sind, eröffnen die reichen Klangwelten der woodwinds. In herkömmlichen und experimentellen Ensemblekonstellationen sind Vielfalt, Farbigkeit und Kreativität der Holzbläserszene zu erleben. Reine Holzbläser- und gemischte Kammermusik-Ensembles treten auf, vom Duo bis zum Nonett, herausragende Solist:innen kommen, Bands und Orchester.

Die mehr als 300 Musiker:innen, die eingeladen sind, stammen aus zahlreichen Heimaten oder haben ihre Homebase in Deutschland oder im Ausland. Die meisten von ihnen sind, in normalen Zeiten, häufig auf Achse, unterwegs zu Konzerten rund um die Welt, zum Beispiel von Kopenhagen oder Tel Aviv, New York oder Chișinău, Berlin oder Shanghai aus, von Flughäfen und Bahnhöfen in Russland oder der Ukraine …

Vielfalt der Musiken und Stile

Fast in jedem Ensemble, das bei uns zu Gast ist, spielen Musiker:innen mit verschiedenen Pässen, verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen. Ja, das Schönste und Spannendste entsteht gerade dort, wo Künstlerpersönlichkeiten unterschiedlichen Charakters, diverser Herkunft und kultureller Prägung sich finden, um einen gemeinsamen Klang und eine gemeinsame Idee zu suchen. Zudem sind fast alle, die auftreten werden, nicht mit einer einzigen Musik nur aufgewachsen, sondern inmitten der Vielfalt der Stile und Styles, der Richtungen und Kulturen, die unsere westliche Gesellschaft heute auszeichnet und die wir alle per Knopfdruck und Wischen jederzeit abrufen und erleben können. Das beeinflusst natürlich die Zusammenstellung der Konzertprogramme, die Art und Weise des Auftritts der Künstler:innen und auch die Arbeit der Komponist:innen.   

Tradition mit Innovation

Welchem Genre die Musik, die bei Summerwinds zu hören ist, angehört, kann man nicht immer eindeutig benennen. So sind die Begriffe „Klassik“, „Crossover“ oder „Weltmusik“ gegebenenfalls nur ein allererstes und oberflächliches Etikett für das, was auf der Bühne gespielt wird und fasziniert.    

Was denn definiert ein sog. „klassisches“ Werk: die Instrumentierung, eine bestimmte Formensprache, die Tradition, in die es sich stellt, dass seine Noten exakt notiert sind und genauso aufgeführt werden müssen, wie es dasteht, oder dass ein Stück schlichtweg nicht so klingt, als wäre es in unserer Zeit geschrieben? Doch es gibt ja „Klassik“, die heute entsteht und die aus einem Lebensgefühl kommt, das für uns ganz zeitgenössisch ist. Klassik, die nicht selten Folklore oder Pop, Rock, Blues, Funk, Jazz oder anderes in sich aufgenommen hat. Wir haben sie im Programm: Stücke, die verstehbar sind und packen. Unsere Welt!

Und in dem, was wir „Crossover“ nennen würden, kreuzt sich bei Summerwinds nicht einfach „Klassik“ mit Pop oder Jazz. Vielmehr entsteht mit jedem famosen Interpreten und Ensemble etwas Neues eigener Art, sehr Individuelles, Originelles – in Auseinandersetzung mit den tradierten und mit aktuellen Musiken. Ähnliches gilt, besonders im Hinblick auf die Musikkulturen des Orients, Afrikas und Asiens, für die „Weltmusik“.

Nichts andres mithin als ihre Vorgänger:innen die Jahrhunderte hindurch taten, tun diese Musiker:innen und Komponist:innen heute. Das aber ist nicht Diebstahl in unlauterer Absicht, keine kulturelle An- oder Enteignung. Wo sie etwas in ihrer Musik haben, das wir aus westeuropäisch-konservativer Perspektive oder aus Sicht der „Klassik“ als „fremd“ oder „anders“ bezeichnen würden, haben sie es nicht okkupiert und als Dekoration übernommen, sondern sich anverwandelt – aus und in Wertschätzung des Fremden, das sie mit offenen Ohren hören und mit dem sie sich verbinden möchten.

Ohr, Seele und Verstand

Unsere Interpret:innen zeichnet, neben überragendem Können, ihre Kraft und Inspiriertheit sowie ihre enorme Bühnenpräsenz aus. Auch deshalb sprechen ihre Auftritte emotional und intellektuell an. Niemals wird nur für den Kopf musiziert, und nichts steht auf dem Programm, das, bloß ausgedacht, nicht dem Wunsch nach subjektivem Ausdruck folgte. Ohr und Herz sind immer im Spiel – und durch die Seele der Verstand.

Und, ja, es geht um Genuss. Doch es geht dabei immer um so viel mehr: um Existenzielles nämlich, auch um Kommunikation. Es geht um Berührt- und Erschüttert-Werden durch die Musik. Um unsere Antwort auf sie, um Resonanz. Dafür aber ist es egal, wann sie entstanden ist, ob heute oder vor 500 Jahren. Musik spricht und ruft uns über die Zeiten hinweg an. So wollen die Summerwinds den ganzen Menschen an- und durchwehen, auch und gerade dort, wo Musik, die im 20. und 21. Jahrhundert komponiert wurde, erklingt, dreimal sogar als Uraufführung.

Nicht allein die Konzerte, schon die Summerwinds-Spielorte berühren: Burgen und Schlösser, Herren- und Gutshaus, Kirchen, ehemalige Klöster, Museen, Theater. Auratische Räume, coole Venues und inspirierende Säle: Oasen sie alle, die einladen, dort Musik zu erleben.

Musik live zu erleben – und sich eine Auszeit vom Alltag und vom Subjekt zu nehmen. Musik live zu erleben – und die Ohren zu öffnen: um mit der Musik-unsererZeit-aus-Gestern-und-Heute ganz Mensch zu werden. Damit die Welt anhebe zu singen. Und, nein, man vergisst sie dann gerade nicht, ihre Schrecken, die Sorgen, die Zerstörungen, das Wollen und das Misslingen, die Erfolge des Alltags-Ichs. Denn sie erstehen, wie ihre Schönheit und ihre Verlockungen, das Glück, in der Musik. Jedoch verwandelt. Solche Musik zu erleben, verwandelt uns – und befreit …    

Resonanz und Glück

Sie wirklich zu hören, sich öffnen und berühren zu lassen von der Musik heißt, sich verwandeln zu lassen und in Resonanz zu treten mit der Musik und durch sie mit der Welt. Und durch die Musik in Resonanz zu sein mit den Interpret:innen auf der Bühne – darin aber zugleich mit sich selbst.

Wer je ein Konzert glücklich und erfüllt verließ, ist mit diesem Resonanz-Erlebnis vertraut und wünscht es sich immer wieder. Dann sind die Musiker:innen auf der Bühne nicht einfach aufgetreten, und man hat sie gesehn und sich angehört, sondern ich habe sie wirklich gehört, ihnen hellwach zu- und, antwortend, ihnen angehört. Und, im schönsten Fall, geschieht mit den andern Konzertgästen dasselbe. Inspiriert, geben wir uns selbst an die Musiker:innen auf der Bühne zurück: ein magisches Hin-und-Her entsteht in einem einzigen Raum fokussierter Aufmerksamkeit und Energie. Gemeinsam sind wir miteinander in Resonanz, machen wir die Musik, die uns in diesem Moment durchlebt, indem wir sie gerade nicht machen, sondern indem wir sie geschehen lassen. Denn dass es geschieht, liegt nicht in unserer Macht: Der Moment der Inspiration und des Glücks ist unverfügbar, für die Musiker:innen wie für die Hörenden.

Kein Stream, keine auditive Konserve kann dieses Glück, dieses vitale Zwischen, erzeugen, das, wenn es entsteht, auf der Welt jeweils einmalig ist. Kein Bildschirm-Konzert schenkt diese Kraft, von der man tagelang zehren kann.

Im Erlebnis der Musik suspendieren wir das Subjekt und finden uns in einem anderen, lebendigen Weltverhältnis wieder. Finden wir darin unser eigentliches Ich? Hartmut Rosa, einer der derzeit meistrezipierten Soziologen, hat das Alltags-Subjekt so skizziert: „Indem wir Spätmodernen auf allen Ebenen – individuell, kulturell, institutionell und strukturell – auf die Verfügbarmachung von Welt zielen, begegnet uns die Welt stets als ‚Aggressionspunkt‘ oder als Serie von Aggressionspunkten, das heißt von Objekten, die es zu wissen, zu erreichen, zu erobern, zu beherrschen oder zu nutzen gilt, und genau dadurch scheint sich uns das ‚Leben‘, das, was die Erfahrung von Lebendigkeit und von Begegnung ausmacht – das, was Resonanz ermöglicht –, zu entziehen, was wiederum zu Angst, Frust, Wut, ja Verzweiflung führt, die sich dann unter anderem in ohnmächtigem politischem Aggressionsverhalten niederschlagen.“ (Rosa: Unverfügbarkeit. Wien-Salzburg 2020)

Aus diesem repulsiven Weltverhältnis befreit die Resonanz-Erfahrung eines inspirierten Konzerts. Was wir in solchen Momenten als Glück, „als Schönheit erfahren, ist die zum Ausdruck gebrachte Möglichkeit einer resonanten Weltbeziehung, die Möglichkeit einer Art des In-der-Welt-Seins, in der Subjekt und Welt einander antworten“ (Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin 2016), eines In-der-Welt-Seins, in dem das Leben gelingt und die Welt nicht stumm ist. In dem das Leben lebendig ist und die Welt singt.

Doch zugleich liegt in dieser Konzert-Erfahrung, die eine reale Glückserfahrung ist, das Wissen verborgen, dass wir im Alltag wohl weiterhin einander, dass wir die andren und das Andere verstummen und zunichte machen, dass diese antwortende Weltbeziehung wohl insulär und punktuell nur wirklich ist. So ist dem Glück der Musik immer auch die Enttäuschung, immer auch eine Trauer eigen. Doch was, wenn mit dem Glück die Möglichkeit eines anderen, resonanten Menschseins in den schönsten Momenten den Konzertsaal durchweht?

Hält das Glück der Musik die Sehnsucht nach Resonanz im „richtigen Leben“ nicht wach? Fordert es nicht auf, offener zu hören, zu antworten, statt zurückzuweisen, nicht stumm zu machen und nicht zu verstummen? Gibt ein erfüllendes Konzert dafür nicht Kraft? Das wäre nicht wenig.

Konzert-Glück wünsche ich Ihnen!

Ihre

Susanne Schulte