So 4. August 2024 18:00 Uhr
Nordkirchen Schloss Nordkirchen – Oranienburg
27 €, erm. 22 €

La Fonte, Westfälisches Barockorchester

Liberté

Das neue La Fonte Barockorchester unter Leitung Fabrizio Venturas ist fast kein Geheimtipp mehr. Auch die Fürst zu Bentheimsche Musikaliensammlung Burgsteinfurt aus dem 18. Jahrhundert nicht, die das international besetzte Ensemble aus Westfalen ins Zentrum seiner Konzertprogramme stellt. Ein überaus reicher Fundus, ist die Sammlung der Fürsten von Bentheim-Steinfurt, die in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster liegt, noch für manche Entdeckung gut. 

Die Fürsten aus der westfälischen Provinz waren alles andre als provinziell. Graf Karl (1729–1780) und Sohn Ludwig (1756–1817) von Bentheim-Steinfurt waren hoch gebildet und kulturinteressiert. Virtuos spielten sie Flöte und unterhielten eine 35-köpfige Hofkapelle, die im Bagno, in der „Grande Galerie pour les concerts“, welche Karl 1774 nach dem Vorbild des „Grand Trianon“ auf Schloss Versailles hatte errichten lassen, konzertierte. International auf Reisen und gut in der Musikszene vernetzt, sammelten die beiden Enthusiasten Musik am Puls ihrer Zeit. Und der schlug Freiheit: Liberté.

„Liberté!“ – das Ringen um Freiheit bestimmte auch die Entwicklung der musikalischen Formen im 18. Jahrhundert. Daniel Glowotz, der die Konzerte von LA FONTE moderiert, erforscht die Bentheimsche Sammlung und reflektiert ihren Ort in der Übergangszeit von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft. 

Das Konzertprogramm „Liberté“ ist der Entdeckung der individuellen Freiheit von Musikern und dem virtuosen Potenzial der Blasinstrumente gewidmet, die im 18. Jahrhundert wichtige technische Neuerungen erfuhren. Dazu schreibt der Musikwissenschaftler:

Aufklärung und Konzert

Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts hat unsere heutige Lebenswelt geprägt. In dieser Zeit wurden die philosophischen Grundlagen der liberalen demokratischen Gesellschaften der Moderne entwickelt. Parallel zum Aufkommen des freien Individuums als sozialem Ideal erschienen in der Musik die ersten europaweit aktiven Virtuosen. Ihr Ausdrucksmittel war das Konzert, jene musikalische Gattung, in der ein Individuum solistisch oder in einer Gruppe mehrerer Solisten einem größeren Ensemble von Musikern entgegentritt. Das Solo- und Gruppenkonzert wurde damit zur spezifisch musikalischen Ausdrucksform künstlerischer und individueller Freiheit, der Liberté, dem Leitideal der Französischen Revolution.

Der neue Musikertypus: Virtuose

Die wohl bekannteste Schöpfung des neuen aufgeklärten Geistes in der Musik, für den vor allem der brandenburgisch-preußische Hof Friedrichs II. (1712–1786) in Potsdam steht, bilden die „Berliner Sinfonien“ C. P. E. Bachs mit ihren innovativen, virtuosen Bläserpartien, ihrem Sturm der Affekte und überraschenden harmonischen Wendungen. 

Den neuen Musikertypus des reisenden Virtuosen verkörperte als erster der Böhme Vaclav Jan Stich (1746–1803), der, ein entflohener Leibeigener, unter dem Pseudonym Giovanni Punto in ganz Europa auf dem Waldhorn Karriere machte. Punto inspirierte Mozart zu seiner konzertanten Sinfonie für vier Blasinstrumente. Auch Cambinis Sinfonia Concertante für zwei Flöten in G-Dur ist ein Meisterwerk, leicht und brillant. Als Erfinder der Gattung machte sich Cambini in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ausgehend von Paris, in ganz Europa einen Namen.

Bläsermusik in Burgsteinfurt 

Da die Grafen von Bentheim-Steinfurt überaus fähige Flötisten waren, haben sie für ihre Musikaliensammlung in großem Stil die besten Werke der Bläserliteratur ihrer Zeit erworben. Darunter sind nicht nur fast alle damals bekannten konzertanten Sinfonien für die Blasinstrumente, sondern auch Bearbeitungen bekannter Werke fürHarmoniemusik. „Harmoniemusik“, diese besondere sinfonische Bläserbesetzung, war im 18. Jahrhundert auch am Burgsteinfurter Hof beliebt. Und last but not least hat auch der Burgsteinfurter Bassist, Orchestermanager und Bürgermeister Paul Heinrich Masch Sinfonien mit virtuosen Traversflöten- und Hornpartien komponiert. (Daniel Glowotz)

Fotos © M. Nikolic | Daniel Glowotz | Theresa Pewal | Privat | M. Nikolic | L. Coppola

Besetzung

La Fonte. Westfälisches Barockorchester
Michael Schmidt-Casdorff Traversflöte Daniel Lanthier Oboe Katrin Lazar Fagott
Bart Aerbeydt Horn Lorenzo Coppola Klarinette Ingo Nelken Flöte

Fabrizio Ventura Leitung

Daniel Glowotz Moderation

www.barocklebt.de

Programm

LIBERTE!

Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788):
Berliner Symphonie Nr. 1 Es-Dur, Wq 179

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791):
Sinfonia Concertante für vier Blasinstrumente, KV 297b

Giuseppe Cambini (1746–1825):
Sinfonia Concertante für 2 Flöten G-Dur, PL 22202

Paul Heinrich Masch (18. Jh.):
Symphonie Nr. 5 C-Dur

   

Schloss Nordkirchen – Oranienburg

59394 Nordkirchen
Fasanenallee

Schloss Nordkirchen ist das größte Wasserschloss Westfalens, eines der schönsten Europas und „ein Gesamtkunstwerk von internationalem Rang“ (UNESCO). Barocke Symmetrie und Eleganz prägen das „Westfälische Versailles“, das eine große Parkanlage umgibt. Fürstbischof Friedrich Christian von Plettenberg ließ es von Gottfried Laurenz Pictorius, der sich an französischen, aber auch niederländischen Vorbildern orientierte, von 1703 bis 1712 errichten. Nordkirchen ist Pictorius’ bedeutendster Schlossbau, der seit 1951 die Fachhochschule für Finanzen NRW beherbergt.

Johann Conrad Schlaun, der heute bekannteste Architekt des westfälischen Barock, vollendete ab 1724 das „Westfälische Versailles“. Die Oranienburg im Westgarten war als Orangerie geplant. Der zweigeschossige Ziegelbau mit Mansarddächern und Pavillons an den Seiten, wurde aber schon früh als Lustschloss genutzt. Den Festsaal mit der stuckverzierten Muldendecke entwarf Peter Pictorius, der Bruder von Gottfried Laurenz. Den Weg dorthin schmücken Skulpturen antiker Götter von Johann Wilhelm Gröninger (1721).

In Kooperation mit dem Kreis Coesfeld und der Gemeinde Nordkirchen www.kreis-coesfeld.de | www.nordkirchen.de